Die homöopathische Anamnese

Die beste Anamnese-Ausbildung erhält ein Arzt in der Homöopathie. Professor Dorcsi erwartete von seinen Studenten eine schriftliche Zusammenfassung der homöopathischen Anamnese, die nicht selten 90-120 Minuten dauerte. Wenn diese weniger als 10 Seiten handschriftliches Protokoll umfassten, musste man das schon genau begründen.

Die homöopathische Anamnese des Professor Dorcsi ist nicht nur ein Ausfragen, ein Abhaken von Checklist-Punkten. Sie wird zu einer intensiven Begegnung, in der ein Arzt nicht nur Daten erhebt sondern auch die Stimmung, die Haltung und Betroffenheit des Gegenüber bewusst aufnimmt und wörtlich notiert. Diese Angaben werden in einem zweiten Arbeitsgang bewertet, gewichtet und in medizinische Sprache übersetzt. Damit ist es möglich, zu einem späteren Zeitpunkt immer wieder Bezug zum Originalempfinden des Patienten zu nehmen mit „Schmerzen, die wahnsinnig machen„, anstatt einer Kategorie wie „Migräne“, „Spannungskopfschmerz“ oder „vegetative Dystonie“. Immer wird der ganze Mensch untersucht und behandelt. Beim Einen steht der akute Schmerz, die Verletzung im Vordergrund, beim Anderen eine Verzweiflung, weil sein Kind chronisch krank ist oder weil ihm die Arbeitslosigkeit droht.

Eine homöopathische Ausbildung bei Mathias Dorcsi, mit dem mich eine ärztliche Freundschaft verband, ist etwas Einzigartiges, eine Ehre, ein Geschenk… Dorcsi war ein vorbildlicher Arzt, der in Vorlesungen und Seminaren ganz bewusst den Menschen in den Mittelpunkt stellte mit all seinen Sorgen und Nöten. Er wies die Studenten darauf hin, dass der Arzt nur mit einer aufmerksamen und empathischen Haltung eine Chance bekommt, zum Kern der Person durchzudringen. Er machte uns auch darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, den Leidenden in seiner Würde zu erfassen und ihn wertzuschätzen trotz seiner manchmal ungewöhnlichen und eingeschränkten Sicht der Zusammenhänge.